Für Menschen mit schwerer Nierenerkrankung ist neben einer Organtransplantation die regelmäßige Hämodialyse oft die einzige Möglichkeit, zu überleben den Alltag zu bewältigen und die Lebensqualität zu erhalten. Damit diese Blutwäsche überhaupt möglich ist, braucht es einen stabilen und gut funktionierenden Zugang zum Blutkreislauf: den Dialyseshunt. Er ist weit mehr als nur ein medizinisches Hilfsmittel - er wird für viele Betroffene zu einem festen Bestandteil des Körpers und des täglichen Lebens.
Was ist ein Dialyseshunt?
Bei Patienten mit einer fortgeschrittenen oder terminalen Nierenerkrankung ist die natürliche Reinigungsfunktion der Nieren nicht mehr ausreichend. In diesen Fällen wird die sogenannte Hämodialyse notwendig: eine Blutwäsche, bei der schädliche Stoffwechselprodukte aus dem Blut entfernt werden. Damit diese Therapie durchgeführt werden kann, braucht es einen verlässlichen Zugang zum Blutkreislauf. Genau dafür wird ein sogenannter Dialyseshunt angelegt.
Ein Shunt ist nichts anderes als eine künstlich geschaffene Verbindung zwischen einer Arterie und einer Vene. Durch diese Verbindung entsteht ein erhöhter Blutfluss in der Vene, ein Blutstrom, der stark genug ist, um die Anforderungen der Dialyse zu erfüllen: In der Regel müssen dabei pro Minute 200 bis 500 Milliliter Blut bewegt werden. Normale Venen, wie sie zum Beispiel für eine Blutabnahme genutzt werden, wären dafür bei weitem nicht ausreichend.
Welche Arten von Dialyseshunts gibt es?
Grundsätzlich unterscheidet man verschiedene Typen von Shunts, je nachdem, wie die Verbindung zwischen Arterie und Vene hergestellt wird:
AV-Fistel
Die arteriovenöse Fistel, kurz AV-Fistel, ist oft die erste Wahl. Dabei wird eine eigene Vene mit einer Arterie verbunden, meist am Unterarm. Diese sogenannte Cimino-Fistel ist vielen Patienten ein Begriff.
Der große Vorteil dieser Methode: Da nur körpereigenes Gewebe verwendet wird, ist das Infektionsrisiko gering. Außerdem kann die Fistel bei guter Pflege viele Jahre halten. Sie ist also besonders langlebig. Allerdings muss die arteriovenöse Fistel nach der Operation erst „reifen“, bevor sie einsatzbereit ist - das dauert meist mehrere Wochen. Und: Nicht bei allen Menschen sind die Gefäße dafür geeignet.
AV-Graft
Wenn die eigenen Venen oder Arterien nicht ausreichen, kann eine Gefäßprothese, meist aus Teflon oder Goretex, verwendet werden. Dieser sogenannte Graft wird zwischen Arterie und Vene eingenäht und bildet so die Verbindung für die Dialyse.
Der Graft ist schneller nutzbar als eine AV-Fistel. Er kann also bei dringendem Dialysebedarf eine gute Lösung sein. Allerdings handelt es sich um ein künstliches Material, dadurch ist das Risiko für Infektionen oder Verschlüsse höher. Und im Vergleich zur AV-Fistel hält ein Graft meist nicht so lange.
Zentraler Venenkatheter
In akuten Situationen, wenn die Dialyse sofort beginnen muss, wird oft ein zentraler Venenkatheter (ZVK) eingesetzt. Dieser dünne Kunststoffschlauch wird über eine große Vene, zum Beispiel an der Hals- oder Schlüsselbeingegend, bis in ein zentrales Blutgefäß vorgeschoben.
Der Vorteil: Der Zugang ist sofort funktionsfähig. Doch diese Variante ist eher als Übergangslösung gedacht, denn Katheter erhöhen das Risiko für Infektionen und Thrombosen und sind generell weniger langlebig als Fisteln oder Grafts.
Wo wird ein Shunt bevorzugt angelegt?
In den meisten Fällen erfolgt die Shunt-Anlage am Unterarm. Hier liegen Arterie und Vene häufig nah beieinander und sind gut zugänglich. Besonders bewährt hat sich die Cimino-Fistel. Dabei handelt es sich um eine direkte Verbindung zwischen der Speichenarterie (Arteria radialis) und einer nahegelegenen Vene. Bei Rechtshändern wird dafür bevorzugt der linke Unterarm gewählt, bei Linkshändern entsprechend der rechte.
Alternativ kann der Shunt auch in der Ellenbeuge oder am Oberarm angelegt werden. Nur in Ausnahmefällen wird auf Oberschenkelgefäße ausgewichen, etwa dann, wenn andere Stellen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Bei Patienten mit Herzschwäche ist allerdings Vorsicht geboten: Der durch die Shuntanlage erhöhte Blutfluss kann das Herz zusätzlich belasten und ist bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz nicht empfehlenswert.
Was ist vor der Shunt-Operation zu beachten?
Bevor ich einen Shunt anlege, untersuche ich die Gefäße am Arm sehr genau. Dafür verwende ich vor allem den Ultraschall und in manchen Fällen auch eine Kontrastmitteluntersuchung (Angiographie). Wichtig ist, dass die Arterien und Venen stabil genug sind und günstig verlaufen. Denn nur wenn die anatomischen Voraussetzungen stimmen, kann der Shunt langfristig zuverlässig funktionieren.
Wie läuft die Shunt-Operation ab?
Die Operation selbst führe ich in der Regel in Lokalanästhesie durch. Das bedeutet: Ihr Arm wird betäubt, Sie bleiben während des Eingriffs wach, spüren aber keine Schmerzen. Ich setze einen kleinen Hautschnitt, um Arterie und Vene freizulegen. Diese werden für kurze Zeit abgeklemmt und dann direkt miteinander verbunden, je nach Situation mit einer End-zu-Seit- oder Seit-zu-Seit-Anastomose.
Sobald die Naht gesetzt ist, gebe ich den Blutfluss wieder frei. Die Vene beginnt sich nun durch den erhöhten Druck zu vergrößern. Das ist ein natürlicher Umbauprozess, den wir „Shuntreifung“ nennen. Diese Ausreifung dauert meist einige Wochen. Erst danach ist der Shunt belastbar genug, um für die Dialyse verwendet zu werden.
Gibt es auch minimalinvasive Alternativen?
In bestimmten Fällen kann ich einen Shunt auch minimalinvasiv anlegen, also ohne Hautschnitt, mithilfe eines Katheterverfahrens. Dabei wird die Verbindung zwischen Arterie und Vene von innen, über einen Gefäßzugang, geschaffen. Diese Technik ist besonders schonend.
Was ist nach der Shunt-Operation zu beachten?
Nach der Operation beginnt die sogenannte Reifungsphase. Die Vene muss sich erst an den erhöhten Blutfluss und Druck gewöhnen, die durch die Verbindung mit der Arterie entstehen. Dieser Prozess dauert in der Regel vier bis sechs Wochen. Erst danach ist der Shunt stabil genug, um für die Dialyse genutzt zu werden.
Wann kann der Shunt genutzt werden und worauf ist bei der Punktion zu achten?
Sobald der Shunt ausgereift ist, kann er punktiert werden. Dabei werden zwei Nadeln gesetzt: Eine leitet das Blut zur Dialysemaschine, die andere bringt es (gereinigt) wieder zurück in den Körper.
Die Punktion erfordert Erfahrung und Sorgfalt. Besonders wichtig ist, die Einstichstelle mit ausreichend Abstand (mindestens fünf Zentimeter) zur Anastomose zu wählen, um diese empfindliche Verbindungsstelle nicht zu gefährden. Auch der Einstichwinkel hängt vom Shunttyp ab: bei einer Cimino-Fistel beträgt er etwa 30°, bei einer Prothese rund 45°.
Es gibt verschiedene Punktionstechniken:
- Bei der Strickleiterpunktion wechseln die Einstichstellen regelmäßig entlang der Vene, was das Gewebe schont.
- Die Arealpunktion konzentriert sich auf einen kleineren Bereich.
- Die besonders schonende Knopflochpunktion verwendet immer dieselbe Stelle, allerdings mit spezieller Technik und eingespielten Handgriffen.
Gerade zu Beginn ist die Punktion für viele Patienten ungewohnt oder unangenehm. Deshalb lege ich großen Wert auf eine ruhige und vertrauensvolle Atmosphäre. Mit der Zeit entwickeln viele ein gutes Körpergefühl für ihren Shunt und lernen, Veränderungen früh zu bemerken. In ausgewählten Fällen ist sogar eine Selbstpunktion möglich, was die Selbstständigkeit stärken und die Dialyse flexibler gestalten kann.
Gibt es Risiken und Nebenwirkungen bei einer Shunt-Operation?
Trotz sorgfältiger Anlage kann es im Laufe der Zeit zu Komplikationen kommen. Die häufigsten sind Shuntverengungen (Stenosen) oder ein vollständiger Shuntverschluss (Thrombose).
Was ist eine Shuntverengung (Stenose)?
Bei einer Stenose kommt es zu einer Einengung im Verlauf des Shunts, meist im Bereich der arteriovenösen Verbindung (Anastomose) oder in den abführenden Venen. Anzeichen dafür sind:
- Schwächeres oder verändertes Schwirren
- Vermehrtes Klopfen (turbulenter Fluss)
- Schwierigkeiten bei der Punktion
- Abnahme der Blutflussgeschwindigkeit
- Sichtbare Umgehungskreisläufe (Kollateralvenen)
Stenosen können schleichend entstehen, beeinträchtigen aber zunehmend die Funktion des Shunts.
Was passiert bei einem Shuntverschluss?
Bei einem Verschluss bildet sich ein Blutgerinnsel (Thrombus), das den Shunt vollständig blockiert. Das Schwirren verschwindet, und es lässt sich kein Blutfluss mehr nachweisen, auch nicht im Ultraschall. In diesem Fall handelt es sich um einen akuten medizinischen Notfall.
Wie wird eine Shuntstörung diagnostiziert?
Zur Abklärung führe ich meist eine Ultraschalluntersuchung durch. Falls eine genauere Diagnostik notwendig ist eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA) durch. Dabei wird Kontrastmittel über eine kleine Kanüle in den Shunt eingebracht, um den gesamten Gefäßverlauf genau darzustellen. Der Patient liegt dabei mit ausgestrecktem Arm auf einem speziellen Untersuchungstisch.
Wie können Engstellen oder Verschlüsse behandelt werden?
Die häufigste Behandlung ist die sogenannte perkutane transluminale Angioplastie (PTA):
Ein kleiner Ballonkatheter wird unter Röntgenkontrolle an die Engstelle geführt und weitet diese vorsichtig auf. Es ist ein minimalinvasiver Eingriff, der in vielen Fällen ambulant durchgeführt werden kann. Bei komplettem Verschluss kann eine neue Shuntanlage erforderlich sein.
Wie erkenne ich, ob mein Shunt funktioniert?
Ein funktionierender Shunt „schwirrt“, was unter der Haut als ein feines Vibrieren spürbar ist. Dieses Schwirren zeigt, dass der Blutfluss durch den Shunt intakt ist. Idealerweise wird es täglich kontrolliert. Ist es plötzlich abgeschwächt oder gar nicht mehr zu spüren, sollte unverzüglich eine ärztliche Abklärung erfolgen.
Wie pflege ich den Shunt im Alltag?
Der Shuntarm verdient besondere Aufmerksamkeit und sollte geschont werden:
- Kein Blutdruckmessen, keine Injektionen oder Blutabnahmen an diesem Arm
- Keine eng anliegenden Kleidungsstücke oder Uhren über dem Shunt
- Keine schweren Lasten mit dem betroffenen Arm tragen
- Keine Verletzungen oder Druckstellen an der Shuntstelle riskieren
Die Haut um den Shunt muss sauber gehalten werden. Vor jeder Dialyse erfolgt eine gründliche Desinfektion. Zu Hause reicht eine normale Hautpflege ohne aggressive Produkte.
Was bedeutet Eigenverantwortung bei der Shuntpflege?
Ein entscheidender Beitrag zur Shuntgesundheit ist die tägliche Eigenkontrolle:
- Ist das Schwirren wie gewohnt spürbar?
- Gibt es Schwellungen, Rötungen oder Verhärtungen?
- Treten Schmerzen oder Spannungsgefühle auf?
Solche Warnzeichen sollten ernst genommen werden. Je früher Veränderungen erkannt werden, desto besser können Komplikationen vermieden werden.
Wie lange hält ein Shunt?
Ein Shunt ist kein unbegrenzter Zugang. Seine Lebensdauer hängt unter anderem vom Shunttyp, der Gefäßqualität und der Pflege ab:
- Ein Cimino-Shunt (aus körpereigenem Gewebe) hält im Durchschnitt vier bis fünf Jahre.
- Eine Gefäßprothese hat meist eine kürzere Lebensdauer - oft unter einem Jahr.
Der Shunt als verlässlicher Begleiter im Alltag
Ein gut funktionierender Shunt ist die Lebensader für Dialysepatienten. Umso wichtiger ist es, diesen Zugang von Anfang an zu verstehen, achtsam zu behandeln und regelmäßig zu kontrollieren. Mit der richtigen Pflege, etwas Übung und einem offenen Austausch mit dem behandelnden Team lässt sich der Shunt zuverlässig in den Alltag integrieren. So entsteht Sicherheit und ein gutes Stück Eigenverantwortung.